05.10.2012, Uckermark Kurier, Prenzlauer Zeitung

Auf Zeitreise an Europas Ostgrenze

Erstaunliche Erlebnisse und tiefe Eindrücke bringen Vizebürgermeister und Prenzlauer Kammerchor aus Pochwistnewo mit. 3000 Kilometer von Prenzlau entfernt feiern die Gastgeber den Jahrestag der Städtepartnerschaft.

Prenzlau/Pochwistnewo.
Von unserem Redaktionsmitglied
Monika Strehlow

Die jüngste Konzertreise des Kammerchores Prenzlau an der Kreismusikschule Uckermark war eine über zwei Zeitzonen, und gleichzeitig wie eine Zeitreise in Vergangenheit und Zukunft. 15 Jahre nach der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen den Kreisstädten Prenzlau und Pochwistnewo im russischen Gouvernement Samara flogen 23 Sänger, Pianist und Dolmetscherin über 3000 Kilometer bis an die Südausläufer des Urals.

An der östlichen Grenze Europas wurden sie traumhaft empfangen von Gastgebern, die jeden Tag der Besuchstage vom 22. bis 29. September minutiös durchgeplant hatten. Und die erlebte Herzlichkeit wirkt weiter; noch Tage nach der Heimkehr schwärmen Chorleiter Jürgen Bischof und Monika Jerke. Prenzlaus Vize-Bürgermeister Marek Wöller-Beetz betonte in einem Interview für die russische Lokalzeitung, wie sehr ihm die Menschen und die Atmosphäre gefielen. Er werde daheim Reisen nach Pochwistnewo empfehlen.

Die sprichwörtliche russische Gastfreundlichkeit kannte Jürgen Bischof aus seinen ersten Begegnungen 1997 und 2003, den Jahren, als die Partnerstadt besiegelt wurde beziehungsweise der damalige Bürgermeister Hans-Peter Moser seinen Antrittsbesuch bei Amtskollege Wladimir Filipenko machte. Damals war Bischof mit dem Jugendkammerchor des Gymnasiums dabei. Beim Spaziergang durch Pochwistnewo sei ihm aufgefallen, dass sich einerseits im Ortsbild kaum etwas geändert habe, Straßen und Häusern die Jahrzehnte anzusehen seien. Neu seien die vielen Einfamilienhäuser auf westlichem Standard. Und die Geschäfte, ergänzt Monika Jerke. „Von Mangelwirtschaft ist keine Rede mehr. Wer Geld hat, kann sich alles kaufen.“ Andererseits falle auf, wie viel Kraft und Liebe Pochwistnewo in Erziehung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen investiere. In jedem Kindergarten arbeiten zum Beispiel ein Logopäde und ein Psychologe, schauen auf die Frühförderung. Die Schulen sind komfortabel ausgestattet, elektronische Tafeln und PC stehen zur Verfügung. Deutsch wird als zweite Fremdsprache anerkannt. Allgegenwärtig ist der Gasprom-Konzern als Sponsor.

Besonders angetan waren die Uckermärker vom hohen Stellenwert, den Kunst und Kultur bei ihren Gastgebern genießen. Davon zeugten nicht nur die festlich ausgestatteten Kunst- und Musikräume in den Kindereinrichtungen, sondern auch gleich vier Beiträge im Regionalfernsehen über die Gäste aus Prenzlau und Berichte in der Lokalpresse, „immer auf Seite 1 platziert“, betont Jürgen Bischof. Vom hohen Stellenwert der Kultur zeugten zudem die Reaktionen auf die Gastauftritte in Pochwistnewo und im Deutschen Kulturzentrum Samara oder die Gespräche mit Menschen verschiedener Berufsgruppen und Einrichtungen.

Auch die Prenzlauer selbst sorgten für Überraschungen auf ihren Konzerten mit Werken europäischer Klassik, geistlicher wie weltlicher Musikliteratur – dafür wurden sie gefeiert. Denn solche Programme kennt Pochwistnewo nur von Profis, nicht von einem Laienchor. Ganz aus dem Häuschen war das Publikum, als die Deutschen russische Klassiker und die inoffizielle Hymne des Samarer Gebietes „Ach, Samara Städtchen…“ anstimmten. „Das war unser musikalisches Dankeschön an die Gastgeber“, sagt Jürgen Bischof. Der übrigens erstaunt registrierte, dass Konzerte in Russlands Kirchen tabu sind.

Fast nebenbei erfuhren die Prenzlauer, dass sie die „Deutsche Woche“ von Pochwistnewo mitgestaltet hatten, mit der das Jubiläum gewürdigt wurde. Eine Urkunde mit dem Dankesbrief von Bürgermeister Filipenko zeugt von der hohen Anerkennung Prenzlauer Chorarbeit und auch davon, wie wichtig ihm Kontakte auf die andere Seite des Kontinents sind. Das Schriftstück erhält sicher einen Ehrenplatz.