07.04.2011, Uckermark Kurier, Prenzlauer Zeitung

„Die Schule hat sonst keine Zukunft“

Uli Stornowski (rechts), Percussionist der „Los Dilletantos“ und Musiklehrer aus Groß Daberkow, freut sich, im engen Terminkalender von Jürgen Bischof (links) Platz für Gesangsunterricht erhalten zu haben

JUBILÄUM In drei Jahrzehnten als Direktor hat Jürgen Bischof eine ganze Epoche Musikpädagogik mitgestaltet. Uckermärker lernen hier, die Töne zu treffen.

von Monika Strehlow

Prenzlau. Eigentlich hätte Uli Stornowski es nicht nötig, noch einmal die Schulbank zu drücken. Der studierte Percussionist spielt verschiedene Instrumente, ist Mitbegründer der Mittelalterband „Los Dilletantos“ sowie Instrumentalist bei theatralistischen Darbietungen. Als freier Musiker bedient er eine Vielfalt von Genres – und lernt nun noch bei Jürgen Bischof das Singen. „Wenn ich sehe, da ist wirklich eine Stimmbegabung, dann versuche ich, noch eine Lücke im schon vollen Terminkalender zu finden“, sagt der Direktor der Kreismusikschule Uckermark.

Erwachsene auszubilden gehört an der Einrichtung zum guten Ton. Weit über 1100 Schüler aller Altersgruppen nutzen die Angebote. Da gehört die musikalische Früherziehung für die Jüngsten ebenso dazu wie die Arbeit mit Behinderten, werden Kinder und Jugendliche im Gruppen- und Einzelunterricht ausgebildet, stehen Chöre, Singegruppen, Instrumental- und Tanzensembles den Interessenten offen. Über die musikalische Unterrichts- und Fächerangebote vom Blechblas- bis zum Zupfinstrument hinaus stehen Kunstfächer wie Malerei-Grafik, Plastik, Holz & Handwerk zur Auswahl. Als Bischof vor drei Jahrzehnten die Leitung der Musikschule übernahm, war an solche Vielfalt nicht zu denken. Und auch nicht an ein schönes, eigenes Musikschulgebäude. „Die ersten Räume befanden sich in der Schulzenstraße. Im Winter habe ich vor Unterrichtsbeginn noch den Ofen geheizt.“ Später zog die Musikschule des Kreises Prenzlau, die eine Nebenstelle in Pasewalk hatte, in die alte Kaserne in der Diesterwegstraße. Zehn Jahre Kampf und Überzeugungsarbeit kostete es, bis die Einrichtung 1994, damals schon Kreismusikschule, in das ehemalige

Wehrkreiskommando ziehen konnte: „Wir waren stolz, die unwürdigen Bedingungen mit zu engen und zersplittert liegenden Räumen beenden zu können.“ Ein Jahr später legte der Kreistag die Musikschulen der Altkreise Prenzlau, Templin und Angermünde zur Kreismusikschule Uckermark zusammen, per 1. August 1995 wurde der noch nicht 40-jährige Bischof zum Kreismusikschuldirektor bestellt.

Am 1. August 1978 startete der studierte Musikschulpädagoge und Musiker sein Berufsleben in Prenzlau. Für drei Jahre hatte ihn die Absolventenlenkungskommission verpflichtet. „Prenzlau? war für mich eine Garnisonsstadt mit Dauerstau im Sommer, nördlich von Berlin“ – weitab von der Kultur Erfurts und Weimars, eigentlich uninteressant für den einstigen Dresdner Kapellknaben. Nur die schnelle Zugverbindung und die Möglichkeit, in Berlin aussteigen und einkaufen und Kultur erleben zu können, sprachen für den Norden. Der Vorsatz, nach den „Pflichtjahren“ ins heimatliche Erfurt zurückzukehren, war bald vergessen. Bereut hat das Jürgen Bischof bis heute nicht. „Ein Berg Arbeit lag vor uns. Die Lehrer waren alles ältere Herren, ein Ende dieser Musikergeneration war absehbar.“ 1979 berief man ihn zum stellvertretenden Direktor der Musikschule Prenzlau, schon 1980 wurde er ihr Direktor, der jüngste weit und breit. Wilhelm Stein, der die Musikschule seit 1954 leitete, hatte ihm ans Herz gelegt: „Sie müssen übernehmen, die Schule hat sonst keine Zukunft.“ Die Perspektive des Hauses lag im Generationswechsel, erinnert sich Jürgen Bischof an die Mitstreiter dieser Aufbruchzeit. Achim Stahnke, Wilgard Suhr, Angela Steer, später Erich Sokolowsky, Victorian Stoica… Musikpädagogen, die über Jahrzehnte eine gefragte Einrichtung entwickelten, die sich auch bundesweit einen Namen machte. Zum Beispiel mit der Kinderoper, einem Gemeinschaftsprojekt mit der Uckermärkischen Kulturagentur. Die Inszenierung „Die Idee“ zeichnete die Kulturstiftung der Bundesländer 2009 mit dem Preis „Kinder zum Olymp“ aus. Die Proben für die dritte Kinderoper „SchneeRot“ laufen auf Hochtouren. Preußisches Kammerorchester, Kinderchor der Kreismusikschule und viele Solisten haben sich eingespielt und fiebern der Premiere am 29. Mai entgegen.

Inzwischen gehört Bischof zur Generation, die Musikschulen aus zwei Gesellschaftsordnungen kennt. „In der DDR ging es in erster Linie um den künstlerischen Berufsnachwuchs und darum, qualifiziertes Laienschaffen zu unterstützen. Kinder von Arbeitern und Bauern hatten besonders gute Chancen“, erinnert er sich an seine Bemühungen, trotzdem jedes Talent zu fördern. „Heute versuchen wir mit den Projekten „Musische Bildung für alle“ und „Jedem Kind ein Instrument“, möglichst viele zu erfassen.“ Früher hatten die Gebühren eher symbolischen Charakter, Existenzsorgen gab es nicht. „Gleichwohl ermöglicht heute der Landkreis als Träger sozial differenzierte Gebühren. Das rechne ich der Kreispolitik hoch an.“

So gingen aus der Kreismusikschule viele Persönlichkeiten hervor, deren Leben durch die musische Ausbildung bereichert oder bestimmt wird. Heute gibt es kaum einen musischen Bereich in der Region, der nicht von jetzigen oder ehemaligen Musikschülern durchdrungen ist. Darauf ist der Direktor besonders stolz.